Schnitt # stellen: Künstlerische Forschung
Sonja Prlić, Karl Zechenter
Dokumentation
Konzepte, Zugänge, Themen
Der Zugang der Künstlerischen Forschung in diesem Projekt orientierte sich an den Methoden der Participatory Art Based Research (PABR), in der das gemeinsame Forschen mit gesellschaftlichen Akteur*innen einen zentralen Platz einnimmt. Mit diesem Projekt möchten wir den Diskurs um Künstlerische Forschung und Partizipation um Aspekte von digitalem Spiel und digitalen Medien erweitern.
Mit den Schüler*innen forschen
Zwei Aspekte bildeten den Rahmen der Konzeption der Praxisprojekte: Die Arbeitsetappen sollten einerseits Raum für Neuansätze und andererseits für gemeinsame Diskussion bieten. Die Neuansätze boten die Möglichkeit im Projekt Arbeitsaufgaben und Rollen zu wechseln.
In der Diskussion (und der gemeinsamen künstlerischen Arbeit) entstand der Rahmen für die Begegnung und Reflexion der unterschiedlichen kreativen und Medienerfahrungen und ihrer Wechselwirkungen. Die einzelnen Projektschritte waren so konzipiert, dass jeweils gemeinsam Ergebnisse besprochen und über den Fortgang des Projekts entschieden wurde, bzw. dass die Schüler*innen – mit Ausnahme von hoch spezialisierter Arbeitsschritten (Teile der Programmierung) – in alle Produktionsabschnitte involviert und mitentscheidend waren.
Daher wurde kreative Arbeit während des ganzen Prozesses in verschiedenen Arbeitsetappen reflektiert, während der Produktionszeit vertiefende Gespräche mit den Schüler*innen zu einzelnen von den Künstler*innen gewählten Fokuspunkten (Medienerfahrung, ästhetische Erfahrungen, Kollaborationserfahrungen) geführt und jeweils beim Abschluss die entstandenen Ergebnisse bzw. der Projektfortgang diskutiert. So reflektierten die Schüler*innen zum Teil in kreativen Prozessen über das gesamte Projekt ihr kollaboratives kreatives Schaffen und ihre eigene Rolle darin.
Die Beobachtungen der Künstler*innen wurden in Forschungstagebüchern und Gedächtnisprotokollen z.B. von Gruppendiskussionen dokumentiert, dazu entstanden v.a. zu Beginn der jeweiligen Praxisprojekte von den Schüler*innen gestaltete Arbeitsmappen, in denen eigene Erkundungs- und Erfahrungsaufgaben festgehalten wurden.
Rahmenkonzepte der Künstlerischen Forschung
Die forschungsleitenden Annahmen stellten dialogische Praxen, das Erkunden und Aneignen von neuen Räumen in der Schule, Kunstinstitutionen und öffentlichem Räumen, Kooperationen zwischen Medienkünstler*innen und Jugendlichen, v.a. auch die Beteiligung der Jugendlichen selbst als Expert*innen für die digitale Mediennutzung in den Vordergrund.
Als Erhebungsinstrumente dienten u.a. Forschungstagebücher und Beobachtungsprotokolle, zudem wurden Gespräche mit Expert*innen und Evaluationen durch das Board initiiert. Für die Künstlerische Forschung waren Elemente aus der Aktionsforschung vorrangig, u.a. in Gruppendiskussionen der Beteiligten, im gemeinsamen Gestalten des Produkts und des Prozesses sowie im gemeinsamen Präsentieren.
Mixed Realities – Partizipative Künstlerische Forschung und digitale Spiele
Künstlerische Forschung, die Digitalität und Partizipation einschließt, kann ihre Potenziale aktivieren, wenn das Expert*innenwissen der Jugendlichen bewusst angesprochen wird. Für die Projektarbeit bedeutet das, dass der Prozess nach einer Phase des Kennenlernens und der Vertrauensbildung Räume öffnet, damit die Jugendlichen dieses Expert*innenwissen einbringen können und von dort aus neue Perspektiven für den weiteren Prozess erschlossen werden können. Dazu gehören sowohl die Auseinandersetzung mit Wissensinhalten, künstlerischen Formaten als auch mit bestimmten Fertigkeiten und kreativen Ideen der Jugendlichen.
Als künstlerisch forschenden Ansatz brachten wir Zugänge von Augmented Reality als Startpunkt der gemeinsamen Arbeit ein. Im Laufe des Projektes entstanden durch den Austausch der Erfahrungen von Künstler*innen und Jugendlichen ganz eigene Spielformate, die traditionellere Augmented Reality Zugänge mit Aspekten der medialen Erfahrungen und kreativen Ideen der Jugendlichen mischten. Als eines der Ergebnisse der Künstlerischen Forschung kann daher gesehen werden, dass die partizipative Arbeit mit Spielen zu neuen künstlerischen Formaten führt, die den Kanon bisheriger Kunstformen um neue Zugänge erweitert. Die so entstandenen Spiele können als Mixed Reality Games im wahrsten Sinne des Wortes bezeichnet werden, weil sie im Austausch der Erfahrungen von Jugendlichen und Künstler*innen entstanden sind und als neue künstlerische Formate Jugendkultur, zeitgenössische Medienkunst, Spiele und Alltagserfahrungen mischen.
Fokus Kreative Teamarbeit
Der künstlerisch forschende Prozess zeichnete sich durch intensive Auseinandersetzung mit den Jugendlichen und ihren Medien- und Alltagserfahrungen aus. Die Forschung strukturierte sich dabei anhand verschiedener Fokuspunkte (Orte, Medien und Ästhetiken), die die Schnittstellen zwischen Jugendkulturen und Medienkunst und die Synergien und Reibungsflächen, die in der Zusammenarbeit zutage traten, rahmten. Wir wählten in der künstlerisch forschenden Arbeit einen Prozessansatz, der in die gemeinsame Auseinandersetzung von Jugendlichen und Künstler*innen die Fertigstellung eines spiel- und präsentierbaren Kunstwerks integrierte und neben den Entstehungs- und Entwicklungsphasen auch die Präsentation des Kunstwerks und die Erfahrungen, die durch öffentliche Präsentationen, Preisverleihungen, Presseberichte etc. erworben wurden, als weiteren zentralen Teil der Forschung inkludierten.
Dieser Ansatz des gemeinsamen Durchlaufens aller Phasen eines künstlerischen Projekts hat sich sowohl hinsichtlich des Ziels Kulturinstitutionen und ihr Publikum in den Prozess zu integrieren als auch Zugänge zur kulturellen Teilhabe Jugendlicher zu entwickeln als produktiv erwiesen.
Die ARGEkultur Salzburg integrierte beispielsweise die Spielepräsentationen in ihr reguläres Festivalprogramm und öffnete auf diese Weise das Haus für neue künstlerische Formate und Zielgruppen, über die Präsentationen hinaus betreuten sie die Jugendlichen in Filmdrehs vor Ort, bei Technik und Veranstaltungsaufbau und bemühten sich um weitere Einbindung der Jugendlichen in ihr laufendes Programm. Die ARGEkultur war damit nicht nur Veranstaltungspartnerin sondern Teil des gemeinsamen Forschungsprozesses. Mit dem künstlerischen Geschäftsführer, Sebastian Linz, der im Board des Projekts war, konnten wir die Erfahrungen in den Präsentationen reflektieren und zugleich Perspektiven für weitere Entwicklungen und Öffnungen des Hauses an junge Zielgruppen diskutieren. Eine derartige längerfristige und intensive Kooperation von Kultureinrichtung und Forschungsprojekt mit Jugendlichen wäre wünschenswert für weitere Projekte dieser Form, da erst dadurch nachhaltig an Fragen der kulturellen Teilhabe gearbeitet werden kann.
Fazit der Künstlerischen Forschung
Die langfristige Projektarbeit mit den Jugendlichen, die jeweils ein ganzes Schuljahr dauerte, förderte eine intensive Beziehungsarbeit und Vertrauensbildung zwischen Jugendlichen und Künstler*innen, die es ermöglichte, ergebnisoffen in den Prozess zu gehen, auf die Ideen der Jugendlichen zu reagieren und künstlerische, technologische und pädagogische Umsetzungsmöglichkeiten zu erforschen, um diese zu realisieren.
Diese Langfristigkeit hatte zur Folge, dass im Laufe der Projektarbeit sowohl verschiedene Interessen und Talente der Jugendlichen eingebunden werden konnten, die bei kürzeren Workshops oder im Unterricht nicht in der hier möglichen Form zutage treten würden. Eine ganzjährige Spielentwicklung im Rahmen eines Unterrichtsfachs warf Fragen hinsichtlich der Gestaltung von Unterricht im Allgemeinen auf und den Potenzialen und Anforderungen, die in fächerübergreifender Projektarbeit stecken kann: Projektarbeit in dieser Form birgt Potenziale der individuellen Förderung und Entwicklung von Jugendlichen mit sich, die innerhalb eines Prozesses unterschiedliche Kompetenzen erwerben, Teamerfahrungen und Kooperation erleben, Kreativität erfahren. Zugleich ermöglicht die Identifikation mit Spielen als künstlerischen Medien und die Präsentationen der eigenen Ergebnisse Selbstbewusstsein und führt zu einer Erweiterung der Erfahrungen der Jugendlichen außerhalb des Rahmens Schule.
Wie unser Projekt zeigt, braucht es aber dafür sowohl personelle als auch räumliche und finanzielle Ressourcen und die Offenheit eines Schulbetriebs, um solche Prozesse zu ermöglichen. Mit der Mittelschule Lehen hatten wir eine Schule als Partnerin, die sich äußert offen und interessiert an diesen Prozessen zeigte. Wünschenswert wäre es, derartige Projektarbeit zwischen digitaler Kunst und Bildung dauerhaft in den Schulalltag zu inkludieren, öffentliche Mittel dafür zur Verfügung zu stellen und Weiterbildung von Pädagog*innen und Künstler*innen dazu zu ermöglichen.
Publikationen:
Das Handy als Moment der Erzeugung von Utopien. Potenziale des Gaming, Fragen zu Digital Citizenship und digitale Spiele als Kunst. Dilara Akarçeşme und Timna Pachner im Gespräch mit Sonja Prlić. In participate 10/2019, AUSGABE 10: „OPEN UP! II – Kulturelle Teilhabe in der Praxis“, 74-82.
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